Im Schatten von Miami

Okay. Das ist wirklich merkwürdig.

Doch Lacrima musste trotzdem Lächeln. Es war zwar merkwürdig, aber irgendwie doch auch ganz schön. Für Mieron und Silura zusammen. Wenn sie beide glücklich waren... vor allem Mieron, dann war sie es auch.

Silura? Ja, ich denke schon.

Sagte sie grinsend, und hoffte das sie verstand was sie meinte.

Lu erwiederte Lacrimas Lächeln. Ja, es war merkwürdig, aber es war in einer gewissen weiße auch einfach richtig... oder war es doch falsch...

Ist es seltsam zu sagen, dass meine Seele ihm zu gehören scheint?

Sie legte den Kopf schief. Sie gehörte ihm genauso wie ihr Herz und ihre Gedanken.

Lacrima überlegte kurz. War es merkwürdig? Nachdem was Silura ihr erzählt hatte, wohl nicht. Schließlich schüttelte sie den Kopf.

Nein. Nein, ich denke nicht. Wenn du ihn so sehr magst, und Mieron dich auch.... Ich denke da ist etwas was euch beide verbindet. Ich weiß nicht was, aber ich glaube dir.

Ein sanftes Lächeln zog sich über Lacrimas Gesicht.

Hast du noch Angst vor mir?

Ihr Blick fiel wieder zu der Tür. Würde alles gut gehen? Auch ohne Blutbad?

Lu schüttelte leicht den Kopf und richtete ihren Blick ebenfalls auf die Tür. Ihre Gedanken kreisten wieder um Mieron. Sie lehnte sich an Lacrimas Bein, auch wenn es ihr wiederstrebte, diesem Geruch so nahe zu kommen, den sie sosehr hasste.

Ich weiß auch nicht, was es ist...

seufzte sie und schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann öffnete sie sie wieder.

Mieron war jetzt wachsam und konzentrierte sich endlich, wie Ichiru zufrieden feststellte. Er ließ sich nicht gerne von einer dahergelaufenen Göre die Schau stehlen.

Ja, allerdings... Vampiren bleibt nicht viel verborgen... und erst recht nicht mir. Ich wusste, dass du noch am Leben sein musstest... wieso solltest du auch tot sein? Es gibt nicht viele, die es mit dir aufnehmen könnten...

Er brach ab und sein Blick zuckte der Pistole zu Mieron und wieder zurück. Dann sah er in eine völlig andere Richtung und ließ den Satz offen stehen.

Mieron nahm Lus Geruch unten wieder wahr, konzentrierte sich aber weiterhin auf seinen Bruder.

Und du, du hast... dich tatsächlich dem Senat angschlossen!

er lachte herablassend und lehnte sich gegen die Wand. Er hatte keinerlei Angst vor seinem Bruder, warum auch... er hatte ja auch keine Angst vor dem Tod...
Sein Blick zuckte zu dem Dolch an seinem Gürtel und er strich kurz über den Knauf. Aus den Augenwinkeln behielt er seinen Bruder immernoch im Auge.

Also, warum bist du jetzt hier? Töte mich, oder geh wieder!

Lacrima hörte oben wieder Stimmen. Als Silura sich gegen ihre Beine gelehnt hatte, war sie kurz zusammen gezuckt. Doch sie konnte sich zusammen reißen, auch wenn sie so lange nichts mehr getrunken hatte.

Bitte. Tötet euch nicht!

Ihr Körper spannte sich automatisch ein wenig an, als sie daran dachte. Sooft waren ihre Gedanken jetzt schon bei dem angehenden Kampf oben gewesen, sie musste sich unbedingt ablenken.

Abschätzend musterte Ichiru seinen Bruder. Sein Blick streifte kurz Mierons Dolch. Es schien ihm fast wie eine Einladung... Er musste sich nur zwischen Dolch und Pistole entscheiden. Doch als er Mierons letzten Satz hörte, schüttelte er entnervt den Kopf.

Das ist mir zu einfach.

Stellte er fast und funkelte ihn an.

Warum kämpftst du nicht, verfluchter Dämon?! Lässt dich feige abschlachten!

Verächtlich schnaubte er, dann lauschte er kurz. Die Vampirin schien noch in der Nähe zu sein, genau wie die kleine Silunée... Sein Blick huschte zur Tür, wo die beiden verschwunden waren.

Woher kennst du eigentlich die Kleine?

Er liebte abrupte Themenwechsel, die sein Gegenüber verwirrten, doch diesmal war auch echtes Interesse dabei. Vor allem aber wollte er wissen, wie nahe die beiden sich wirklich standen, auch wenn er schon so gesehen hatte, dass es ihm das Herz brechen würde, wenn ihr etwas passierte... das Herz!
Ichiru lachte leise.

Ich kenne die Kleine genauso lange wie du...

meinte er geistesabwesend. Seine Gedanken kreisten um ferne Erinnerungen. Weit entfernt liegend. Ungreifbar. Es war nicht möglich es wieder so zurechtzurücken. Damals war alles noch in Ordnung gewesen. Und jetzt? Jetzt stand er seinem Bruder gegenüber und wartete darauf, dass er ihn umbrachte... Sein über alles geliebter Bruder... doch jetzt konnte er keine Liebe mehr empfinden, der Vampir, ihm gegenüber war nichts anderes als einer des Senates, einer, den es eigentlich galt zu töten. Trotzdem tat er es nicht, weil noch irgendwo in ihm der kleine Junge da war, der vor vielen Jahrhunderten sorglos in den Wäldern umhergelaufen war. Und dann... hatte sich ein schwarzer Schleier über sein Leben gelegt.
Zuerst war Ichiru verschwunden und hatte alle Erinnerungen an sich mitgenommen, und dann... hatten sich die Schlingen zugezogen, die dunklen Schlingen des Todes. Naito, dann seine Eltern. All die anderen magischen Wesen, der alte Magier und er selbst war nach alledem noch am Leben. Der einzige, der wusste, wie sich die Tore vor Jahrhunderten schlossen. Dieses Wissen drohte ihn immer und immerwieder zu ersticken. Und da war noch etwas.
Naitos Tod. Ein ungeklärtes Rätsel.

Nein, ich werde nicht kämpfen...

sagte er nur. Seine Gedanken waren wirr.

Elender Schwächling!

Zischte Ichiru wütend. Noch einmal zuckte sein grimmiger Blick zu Mierons Dolch und er biss sich auf die Lippe. Sollte er oder sollte er nicht...? Ichiru rang mit sich selbst. Ein Teil von ihm wollte Mieron tot sehen, wollte ihm sein erbärmliches "Leben" soweit man es als ein solches bezeichnen konnte, auslöschen... ein anderer wollte ihn leiden sehen, wollte ihn nicht einfach so mit dem Tod erlösen...
Aber da war noch etwas Anderes. Etwas ganz Anderes, das Ichiru selbst nicht verstand. Unwillig knurrte er. Dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort ab und war im nächsten Moment am Fenster. Kurz warf er einen Blick nach unten, dann sprang er ab und landete eine Sekunde später lautlos.
Es war nicht seine Art, wegzulaufen und doch rannte er los, um wieder zu sich zu kommen. Das alles verwirrte ihn. Ichiru wusste selbst nicht, wohin er lief, schneller, als es je ein Mensch können würde. Doch das war ihm völlig egal. Was passierte schon, wenn einer der elendigen Menschen ihn sah? Gar nichts. Seine Schritte wurden noch schneller, bis seine Füße kaum mehr den Boden zu berühren schienen.
Er blickte sich kein einziges Mal um.

Aryata lief durch die Straßen, immer Ichiru´s Geruch nach. Sie war schon viele Stunden unterwegs und sie war erschöpft und müde. Die Duftspur führte zu einem Haus. Ein Fenster stand offen. Mit letzter Kraft kletterte sie hinauf und kauerte dann auf dem Fensterbrett, sah sich um.

Ichiru! Endlich. Wo warst du so-

sie blickte dem jungen Mann ins Gesicht. Er sah beinahe so aus wie Ichiru, nur seine Augen. Die waren anders.

Mieron wurde wieder so wie immer, Ichiru war weg, bereits wieder ein Ereignis der Vergangenheit. Er wollte sich gerade wieder den gegenwärtigen Dingen zuwenden, Lacrima, den Dingen, die ihre Freundin betrafen und Silura...
Sein Herz begann zu brennen er wollte sofort zu der Kleinen, jetzt. Er musste sich davon überzeugen, dass es ihr gut ging.
Doch in diesem Moment kam jemand durchs Fenster und hatte doch tatsächlich die Frechheit ihn Ichiru zu nennen.
Mit gebleckten Zähnen und zum zerreißen angespannten Muskeln wirbelte er zu der Fremden herum und zischte mit unverdeckter Verachtung in der Stimme:

Wage es nie wieder, mich so zu nennen, verdammter Elfenbastard!

Aryata zuckte zurück, als der Fremde, der Ichiru so ähnlich sah, sie anfauchte. Elfenbastard hatte er sie genannt. Aryata ließ sich zwar vieles gefallen, aber das ging zu weit!

Ich lasse mich nicht beleidigen! schon gar nicht von einem dahergelaufenen Dämon!

fauchte sie zurück. Am Geruch hatte sie sofort erkannt, dass es sich hier um einen Dämon handelte. Ihr kam es irgendwie vor, als ob sie diesen Geruch kennen würde. Doch dazu war jetzt keine Zeit. Sie hatte Wichtigeres zu erledigen.

Ich suche deinen.... Zwillingsbruder!

fügte sie herablassend hinzu. Sie konnte sich erinnern, irgendwann einmal vernommen zu haben, dass Ichiru einen Zwillingsbruder hatte. Sie kauerte immer noch auf dem Fensterbrett, beobachtete den Dämon und suchte gleichzeitig nach einer Geruchsspur von Ichiru.

Lacrima hörte wie der Zwillingsbruder, der wie sie mittlerweile mit bekommen hatte Chiru hieß, davon lief. Erleichtert atmete sie aus. Mieron war noch am Leben, doch dann drang eine andere Stimme, eine Frauenstimme an ihr Ohr. Etwas wütend und vor allem verwirrt über so viel Besuch bei einem Dämon der am Liebsten alles und jeden umbringen wollte. Vorsichtig stand sie auf, darauf bedacht das Siluras kleiner Kopf, der an ihren Beinen lehnte, nicht auf den Boden fiel. Langsam schritt sie die Treppe hinauf und öffnete zögernd die Tür. Ihr erster Gedanken war erfreuend : Mieron war unversehrt, doch der zweite fiel auf die offensichtliche Elfe. Doch Mieron schien, wie sollte es auch sonst sein, nicht sehr erfreut über diesen Besuch und drohte anscheinend die Elfe zu verletzen.

Ähm. Ist alles in Ordnung mit dir, Mieron? Lass sie in Ruhe. Sie.... hat was auch immer sie gemacht hat, nicht absichtlich gemacht. Geh zu Lu, sie nervt mich schon die ganze Zeit mit Fragen nach dir.

Ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf Lacrimas Lippen.

Aryatas Blick wanderte kurz zu der Vampirin, die in der Tür stand. Irgendwie kam sie ihr bekannt vor, doch sie wusste nicht, woher. Die Vampirin versuchte, Mieron, wie sie den aggressiven Dämon nannte, zu beruhigen. Sie verharrte in der Kauerhaltung und wartete ab.

Lacrima stellte sich einfach zwischen die Elfe und Mieron, dabei drehte sie Mieron den Rücken zu, sah aber kurz über ihre Schulter zu ihm.

Lass das!,

zischte sie und drehte sich kurzerhand wieder um. Neugierig schaute sie der Fremden in ihre Augen und versuchte dann zu Lächeln, auch wenn sie aus der Fremden nicht schlau wurde.

Hallo, mein Name ist Lacrima. Ich denke mal, das du nicht nach Mieron gesucht hast, oder? Kann ich dir vielleicht weiterhelfen, denn wir wollen ja nicht das du als Dämonen Futter endest, oder?

Automatisch griff sie sich an den Hals, obwohl die Wunde schon lange verschwunden war, nur eine ganz blasse, fürs menschliche Auge nicht sichtbare Narbe war zurück geblieben, worüber sie sich ärgerte.

Aryata sah zu, als sich die Vampirin zwischen Mieron und sie stellte und antwortete

Hallo, Lacrima, ich bin Aryata...

Sie ließ ein glockenhelles Lachen ertönen

ähm, nein, ich wollte nicht als Dämonenfraß enden....
Ich bin nur auf der Suche nach Ichiru. Seit Stunden bin ich unterwegs und bin seiner Spur gefolgt, aber ich konnte ihn nicht einholen...

Sie lächelte bedauernd, ihr Blick zuckte zu der Narbe am Halds der Vampirin, doch sie wandte den Blick höflich wieder ab.

Weißt du vielleicht, wo ich ihn finden kann?

fragte sie. Sie merkte, wie ihre Glieder schwer wurden und sie sehnte sich nach einem Bett. Doch sie blieb stehen, wollte keine mÜdigkeit zeigen und presste die Lippen aufeinander.

Lacrima merkte wie Aryatas Blick kurz zu ihrer Narbe zuckte, war aber froh das sie nicht fragte.

Ichiru? Naja, soweit ich weiß war er bis vor kurzem hier und ist nun aus dem Fenster gesprungen und verschwunden. Ich... weiß es leider auch nicht so genau, aber auf jeden Fall hast du ihn wohl verpasst.

Sie sah wie Aryata sich anspannte, mehr anscheinend vor Erschöpfung als vor allem Anderen.

Bist du denn schon weit gegangen? Mir scheint das du ziemlich fertig bist.

Mieron seufzte resigniert. Warum wurde er eigentlich schon wieder verdächtigt, jemanden umbringen zu wollen, der in sein Zimmer platzte? Okay, er war vielleicht ein Dämon und ziemlich unfreundlich und ein Monster...
Nagut, es sprach mehr dafür, dass er jeden anfiel, als dass er friedlich blieb, aber es gab jetzt wichtigeres...
Er wandte sich zu der Tür um und hörte, wie sie sich bereits langsam öffenete.
Die kleine Gestaltwandlerin kam hereingelaufen und fiel Mieron in die Arme. Er hob sie hoch und drückte sie an sich. Sie wirkte irgendwie mitgenommen und vor allem müde. Er trug sie zu seinem Bett und legte sie darauf, dann deckte er sie zu.
Er wollte eben aufstehen, als die Kleine ihn am Arm nahm und versuchte, ihn wieder zu sich zu ziehen.
Sie nuschelte, vor müdigkeit kaum verständlich irgendetwas von:

Bleib da... du musst... bei mir...

Und schon war die kleine eingeschlafen. Mieron ließ sich wieder auf das Bett sinken und zog ihren Kopf auf seinen Schoß.

Aryata schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln, öffnete sie dann wieder und lächelte Lacrima müde an.

Naja, ich bin schon seit Mitternacht unterwegs... Und dann hab ich seine Spur verloren... Ich bin stundenlang durch den Wald gelaufen...

sie winkte ab. Das war jetzt nicht wichtig. Sie musste Ichiru finden. Leicht wankend drehte sie sich um udn spannte die Muskeln an, um aus dem Fenster zu springen.