Der Vampirsenat

Ort: Im unbesiedelten Teil Neuseelands, in einem Wald
Jahreszeit: Frühling
Tageszeit: Mitternacht
Temperatur: -19°C
Wetter: Es ist kalt und nebelig, der Sichelmond steht am Himmel, ist aber von dünnen Wolken verdeckt...

Aus der Sicht der Senatorin:
Zurkura saß hinter ihrem breiten Ebenholzschreibtisch und drehte einen ihrer Bleistifte zwischen den Fingern. Ihre blutroten Augen zuckte immer wieder zu dem Fenster, vor dem sich der Nebel in grauen Schwaden kräuselte. Irgendetwas lauerte dort draußen. Irgendetwas, das nicht hier sein sollte.
Sie nahm einen dominanten Geruch wahr, der ihr in der Nase brannte, vermischt mit dem süßen Geruch von Blut. Sie kniff die Augen zusammen und erhob sich. Mit weit außholenden Schritten ging sie hinüber zu der Tür und öffnete die breiten Flügel mit Schwung, sodass sie gegen die Wand knallten.

Ichiru! In mein Büro!

herrschte sie in den Gang und ging wieder zu ihrem Schreibtisch. Die Tür ließ sie offen stehen.
Zurkura setzte sich an die Tischkante und wartete darauf, dass der Vampir, den sie gerufen hatte in das Büro kam.
Er hätte für heute eigentlich die Aufgabe gehabt dafür zu sorgen, dass niemand unbefugter das Gelände des Senates betrat, doch anscheinend vernachlässigte er dies wieder.
Er war ein treuer Vampir, doch manchmal ließ er sich von seiner Sturheit, dass der Dämon och am Leben war einfach nicht abbringen...

Aus der Sicht von Mieron:
Norvas kauerte zwischen den Büschen vor dem Senatsgebäude und beobachtete die Senatorin von seinem Platz aus. Sie schien nach jemandem zu rufen und schien aufgebracht. Norvas legte den Kopf schief und stieß ein leises freudloses Lachen aus. Sie war verärgert. Sie musste ihn wohl gerochen haben. Sein Blick zuckte kurz zu der Leiche, die Blutleer auf dem Boden vor ihm lag. Eine der Mitglieder des Senates... Er leckte sich über die blutverschmierten Fangzähne und richtete sich auf. Sein Mantel war zerschlissen und er war nicht mehr als das zu erkennen, was er einmal gewesen war. Seine Hände waren von dem getrockneten Blut der Vampirin verklebt.
Seine ebenso roten Augen zuckten durch die Dunkelheit und fixierten einen Punkt zwischen den Büschen.

Lacrima war eigentlich nur auf einen Spaziergang im Wald aus, und war jetzt schon ein paar Stunden unterwegs gewesen. Sie hatte sich auch einen Snack gegönnt, einen edlen Hirsch, dessen Blut zwar gut schmeckte, aber nichts gegen frisches Menschenblut war. Doch hier, in der Nähe des Vampirsenates, war sie sich nicht sicher ob sie Menschen jagen durfte.
Ihr Weg führte weiter auf das Gebäude zu, wo auch der Ausgang des Waldes war, jedenfalls ein Ausgang als Weg makiert. Doch umso näher sie kam, umso mehr roch sie frisches Blut. Blut eines Wesens. Entsetzt schnappte sie nach Luft. Was war hier los?
Hinter einem Busch kam sie zum Stehen, denn sie sah jemanden am Boden kauern, neben ihm eine Leiche eines Vampires.

Norvas hob den Kopf. Seine blutroten Augen blitzten in die Richtung in der er die fremde Vampirin gerochen hatte. Er bleckte die Zähne und stieß ein arrogantes Fauchen aus. Der Dämon tanzte in einem kurzen Augenblick über seine Lippen und ein bösartiges Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus.

Was willst du hier?

fauchte er mit kalter Stimme, in der der klang des Todes mitschwang.

Lacrima schreckte bei seinem Ton und seinem Ausdruck zurück, doch dann fing sie sich wieder, bevor sie über eine Wurzel stolpern konnte.
Wer war dieser Fremde? Und warum hatte er einen Vampir umgebracht?
Vorsichtig schüttelte sie den Kopf.

Ich... ich wollte spazieren gehen.. und habe Blut gerochen... Warum ist sie tot? Warst du das?

Etwas geschockt zeigte sie auf die Tote und musste schlucken. Kurz zuckte ihr Blick zu dem Gebäude vom Vampirsenat. Sie konnte jemanden in einem der Büros sehen. Sollte sie hinein laufen und bescheid sagen?
Nein, das war... sie hatten es wohl selbst schon mitbekommen.

Wie Scharfsinnig du bist...

meinte Norvas zynisch und stand in einer schnellen Bewegung neben ihr. Er nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen die Finger und drehte sie auf. Ihr Blut roch nach feinem Schnee vermengt mit einem süßen Lilienduft. Er sog die Luft genießerisch ein. Er musste nicht viel tun und bekam auch noch ein Desert....

Lacrima fauchte auf als er so herabfallend mit ihr sprach. Doch als er neben ihr stand und eine Haarsträhne festhielt, merkte sie wie er ihren Duft regelrecht in sich aufsog.
Sie spannte sich an und duckte sich etwas.

Lass mich los,

sagte sie schroff und machte ein paar Schritte zurück. Leider kam ihr Weg nicht weit, denn sie merkte in ihrem Rücken einen Baum. Lacrima schluckte. War er so gefährlich das er sie gleich aussaugen wollte? Schnell umklammerte sie den Baum, lies ihn aber nicht aus den Augen. Ihr Körper machte sie darauf bereit zu springen.

Norvas lächelte kalt und ließ die haarsträhne fallen. Er stützte sich mit der Handfläche neben der Vampirin am baum ab und entblößte seine langen Reißzähne.

Angst?

fragte er höhnisch und stemmte auch seine andere Hand neben der Vampirin an den Baum, sodass es kein Entkommen mehr für sie gab.
Er rückte ein Stück näher, sodass sich ihre Oberkörper beinahe berührten und fasste sie mit der Hand unterm Kinn.

Lacrimas Herz hätte jetzt wohl laut gepocht, wenn es noch schlagen würde. Ja, sie hatte Angst, nachdem sie gesehen hatte was er mit der anderen Vampirin getan hatte.
Zudem fühlte sie sich auch gerade ziemlich bedrängt, und so machte das alles es auch nicht sehr viel besser. Als der Fremde sie unters Kinn fasste, drehte sie abrupt ihren Kopf und schaute wütend weg.

Ich sag dazu jetzt mal nichts,

sagte sie leise.

Was willst du von mir? Ich... kann auch so tun als hätte ich das hier nicht gesehen.. und weiter gehen...

Sie wusste, es war aussichtslos.

Ichiru wandte nicht einmal den Kopf, als er Zurkuras Stimme hörte. Was konnte sie jetzt wieder wollen. Er schüttelte verächtlich den Kopf. Dass man selbst die Oberste der Vampire so leicht täuschen konnte… sie glaubte tatsächlich, dass er ihr treu ergeben war. Im Moment sah es wohl auch für jeden so aus, doch das konnte sich von einem Augenblick auf den anderen ändern…
Sein Blick schweifte kurz zum Mond, als ihn plötzlich zwei völlig andere Stimmen aufhorchen ließen… vor allem eine davon. Konnte es möglich sein… Ichirus Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, bevor er herumwirbelte und pfeilschnell durch den Wald jagte.
Schließlich kam er zum Stehen, sein Atem ging immer noch gleichmäßig, beinahe zu ruhig. Sein Blick richtete sich auf die beiden Gestalten, die unweit von ihm bei einem Baum standen.

Was ist hier los?

Seine Stimme war kühl, aber nicht forsch und beinahe höflich. Doch das täuschte.

Das glaube ich dir gerne, aber...

Norvas brach ab als er eine weitere Stimme hörte. Er rückte ein Stück von der Vampirin ab, sah sich jedoch nicht um. Es war ein Vampir, doch der Geruch kam ihm bekannt vor. Durch dieses Bekannte wurden Mierons Sinne von dem Dämon befreit und seine Augen blitzten wieder in dem gewöhnlichen Eisblau auf, das sie normalerweise hatten.
Er ließ von der Vampirin ab.

Verzeih, ich war nicht ganz...bei mir...

Mieron drehte sich um und meinte mit kühlem Ton, der jedoch halbwegs freundlich klang.

Nichts... alles in Ordnung...

er wollte noch weitersprechen, als er das Gesicht der Person sah, die ihn angesprochen hatte. Ichiru...

Lacrima kniff die Augen zusammen. Musste sie sterben? Doch dann merkte sie wie der Fremde von ihr ablies, und als sie die Augen öffnete, hatte er blaue Augen. Wie seltsam.
Als er sich entschuldigte und meinte er sei nicht bei sich gewesen schaute sie verwirrt, doch durch ihre Erlichterung lies sie sich langsam am Baumstamm zu Boden sinken.
Ihr Blick hob sich kurz als sie jemanden reden gehört hatte und der Fremde so anders antwortete. Doch was sie sah verschlug ihr fast die Sprache : Der Kerl der dazu gekommen war, sah genauso aus wie der Fremde der sie aussaugen wollte.
Wie war das möglich?

Ichiru legte den Kopf ein wenig schief.

Eigenartig... ich wusste ja, dass du einen Hang zur Dramatik hast, aber dass du dich uns... dass du dich mir so einfach auslieferst hätte ich nicht gedacht...

Er schlenderte betont langsam in Mierons Richtung, sein Blick schweifte umher, bis er auf den blutleeren Körper etwas abseits fiel. Ein Knurren drang aus seiner Kehle.

Wie unvorsichtig... wie dumm...

Mieron konnte es nicht fassen... sein Bruder war hier, nach 500 Jahren noch am Leben... und er war ein Vampir. Nicht nur das, er arbeitete für den Senat.
Aber was faselte er da von Ausliefern? Mieron legte den Kopf schief sein Blick blieb kalt.

Schön dich wieder zu sehen, Bruder...

meinte er. Er konnte sich nicht entscheiden, ob er es wirklich schön fand, oder ob er es nie erfahren hätte wollen. Er arbeitete für den Senat. Für diese arroganten Vampire, die sich für etwas besseres hielten.

Wie ich sehe bist du zu einem abgerichteten Hündchen geworden...wie nett...

Als der Fremde ihn Bruder nannte, klärte es so einiges in Lacrimas Kopf auf. Brüder. Zwillingsbrüder. Sie war also doch nicht tot. Aber allem anschein nach, mochten sie sich nicht besonders, und die Spannun rundherum wurde immer stärker. Noch blieb alles ruhig, aber würde es weiterhin so bleiben?
Lacrima fühlte sich etwas wie das fünfte Rad am Wagen.
Sollte sie gehen? Bleiben?
Noch stand ihr Entschluss nicht richtig fest... Das ganze könnte interessant werden.

Ja, wirklich schön...

Ichirus Blick ruhte immer noch auf der blassen Vampirleiche. Bei Mierons nächster Bemerkung jedoch hob er ruckartig den Kopf und funkelte ihn an.

Du wagst es, elender Dämon...

Er kostete das Wort voll und ganz aus, beendete den Satz jedoch nicht.

Du hast noch immer nichts begriffen. Gar nichts.

Langsam schüttelte er den Kopf.

So viel Zeit ist vergangen... und nun sieh dich an. Was ist aus dir geworden?

Ichiru hob eine Augenbraue, musterte Mieron eingehend. Er beantwortete seine rhetorische Frage gleich selbst.

Ein seelenloses, willenloses Monster... fürwahr, eine wirklich nicht sehr erstrebenswerte Veränderung. Vom unschuldigen, kleinen Siluner zur Bestie... Wie bedauerlich...

Mieron verdeckte den Schmerz, der bei den Worten seines Bruders in ihm aufkeimte und bleckte stattdessen die Zähne.

Bei mir ist es aber nicht aus freiem Willen geschehen, hingegen bei dir...

meinte er. Sein Ton war scharf und zeugte von keinerlei positivem Gefühl. Der Dämon tanzte für einen kurzen Moment über seine kalte Maske und ließ sie kurz bröckeln. Zum vorschein kam, nur für einen Bruchteil, schwarzer Hass und Tod.

Du hast dich dem Senat untergeordnet, und machst Jagd auf mich, das ist aussichtslos, begreif das...

sein Blick glit zu dem Dolch an seinem Gürtel.

Die kannst mich nicht töten!

Er lachte hart auf.

Auch wenn ich wünschte, du könntest es...

Jetzt platzte Lacrima der Kragen. Sie wusste ja nicht worum es bei diesem Streit ging, aber sie bekam es langsam mit der Angst und mit Wut zu tun.

Okay, mir reicht es jetzt wirklich, ich weiß nicht was euer Problem ist, da ihr anscheinend Brüder seid, aber ich gehe!

Mit einem einzigen Satz stand sie auf ihren Füßen und lief an dem Kerl vorbei der sie bedroh hatte. Sie wollte nicht da mit reingezogen werden oder sonstiges angehängt bekommen. Ihr Schritt beschleunigte sich zusehends, und schließlich sah sie den Weg von dem Wald. Erlichtert atmete sie auf. Langsam parierte sie durch und ging nun nur noch in normalem Schrittempo.
Aber war sie außer Gefahr?

Ichiru sah der Vampirin nicht einmal hinterher. Sie stand weit unter ihm, noch dazu war sie anscheinend auch sonst völlig harmlos. Es war ihm ziemlich egal, was sie machte.

So, kann ich nicht…?

Murmelte er mit einem leichten Knurren in der Stimme.

Du hast mich schon immer unterschätzt. Alle tun das. Aber das wird dir noch Leid tun.

Blitzschnell hatte er die Pistole in der Hand und stand neben Mieron. Er drückte ihm den Lauf an die Schläfe und zischte:

Mach jetzt nichts Unüberlegtes, es könnte die letzte Bewegung sein, die du tust!

Mieron bleckte die Zähne zu einem dämonischen Grinsen, als sein Bruder ihm die Waffe an die Schläfe hielt. Seine Augen wurden von den dunklen Schatten umspielt, die der Dämon warf, als er versuchte wieder die Kontrolle zu übernehmen. Die Ränder seiner einsblauen Augen verfärbten sich in ein tiefes Rot, das in die normaler Farbe der iris hinüberfloss und sie wegtilgte.

Als ob mich das interessieren würde!

meinte er. Der kalte Hohn, der in seiner Stimme lag wurde von einem eisigen Todeshauch überschattet, den der Dämon in seine Stimme mischte. Er währte sich nicht gegen das kalte Metal an seiner Schlläfe, er genoss es kurz vor dem Tod zu stehen.

Drück ab...

Lacrima hielt inne als sie hörte wie der eine der Brüder sagte er solle abdrücken.
Wieso wollte er das?
Sollte sie zurück gehen? Sie entschloss sich in sicherer Entfernung auf einem Baum zu schauen was denn los war.
Binnen ein paar Sekunden saß sie auf einem dicht bewachsenen Baum und sah erschrocken wie einer, wohl der der sie angegriffen hatte, eine Pistole an den Hals gedrückt bekam. Machte er das weil er sie angegriffen hatte?

Ganz kurz zögerte Ichiru, sein Finger zuckte.

Glaubst du, ich mache es dir so leicht?!

Zischte er.

Du kommst jetzt mal schön mit, mal sehen, was die Senatorin zu dir sagt!

Ichiru gab Mieron einen unsanften Stoß in den Rücken, in Richtung des großen Gebäudes des Vampirsenats. Er beförderte seinen Bruder durch die großen Flügeltüren und schob ihn weiter durch die riesige Eingangshalle. Die Pistole war immer noch auf Mierons Kopf gerichtet, als Ichiru durch die Tür zum Zimmer der Senatorin trat, die offen stand.
Er machte sich nicht die Mühe, sie zu schließen und stieß stattdessen Mieron zu Boden. Dann hob er den kalten Blick. Zurkura lehnte an der Kante des Schreibtisches. Eigentlich sollte er den Kopf leicht neigen, als Zeichen seines Respekts, aber das tat er nie.

Was habe ich gesagt…?

Seine Stimme klang eher tonlos als triumphierend, aber eine leichte Zynik ließ sich nicht leugnen.

Er hat sich nur vor uns versteckt… all die Jahre.

Aus Mierons Sicht:
Mieron ließ sich von seinem Bruder wortlos in das Gebäude des Senats stoßen. Es war vorbei, das hatte er bereits begriffen, und wenn er schon sterben musste, dann war es ihm nur recht, wenn Ichiru ihn umbrachte. Das kalte Metall an seiner Schläfe fühlte sich an, wie eine Provokation, die den Dämon hervorlocken wollte. Nein, er würde nicht zulassen, dass Ichiru verletzt wurde.
Er ließ es auch wortlos über sich ergehen, als sein Bruder ihn in die Knie zwang. Sein Gesicht war immernoch hinter der kalten Maske verborgen, er hatte vermutlich bereits verlernt sie abzunehmen. Doch in seinen Augen spiegelte sich Hass, als sein Blick auf die Senatorin viel.
Es war der hass des Dämons. Seine Augen färbten sich langsam rötlich.
Norvas hob den Kopf, und bleckte die Zähne.

Aus der Sicht der Senatorin:
Zurkura dachte schon Ichiru würde gar nicht mehr kommen, als er durch die offene Tür trat. Er hielt eine Waffe an die Schläfe seines Zwillingsbruders, des Dämons. Ein verspieltes Lächeln tanzte um ihre Lippen. Er war also noch am Leben gewesen, und jetzt war er in ihren Händen.
Sie schenkte Ichiru einen anerkennenden Blick und löste sich in einer eleganten Bewegung von der Tischplatte, Sie trat zu den beiden Brüdern. Der eine sah sie aus blutroten Augen heraus an, seine Zähne waren gebleckt.

Nun, Ichiru, erfülle deine Aufgabe...

sie sagte nichts dazu, dass sie Unrecht gehabt hatte, was seinen Tod betraf. Sie brachte ihre Lippen nahe an Chirus Ohr und flüsterte leise.

Es ist mir egal, wenn du ihn vorher noch ein bisschen quälst...

sie verließ den Raum.

Ichiru sah Zurura noch kurz nach, dann wandte er sich wieder Mieron zu.

Ich hätte nie gedacht, dass ich dich einmal so vollkommen wehrlos erlebe...

Er lehnte sich an den Schreibtisch und spielte mit der Pistole in seiner Hand, ließ den Blick jedoch immer noch auf Mieron ruhen. Es war eigenartig, ihn so zu sehen. Jeder andere hätte in ihm nichts gesehen als Tod. Seine Züge waren ausdruckslos, auch wenn in seinen Augen leiser Hass flackerte, irgendwo weit in der eisblauen Iris die, wenn man genauer hinsah, von einem blutroten Schleier durchtränkt war.
Doch Ichiru konnte den Schmerz in ihm fühlen. Und er genoss ihn.

Wie lange ist es her?

Sinnierte er.

Kannst du dich noch erinnern...?

Er ließ offen, was genau er meinte, lauschte seinen eigenen Worten und lächelte dann kalt. Grimmig.

Mieron hielt den Blick gesenkt. Rührte sich nicht. Sah seinen Bruder nicht an. Sprach kein Wort. Er hörte das wenige Blut in den Adern von Ichiru pulsieren. Roch es, wie es durch die Schlagader an seinem hals rann. Schmeckte es auf der Zunge.
Seine Fangzähne verlängerten sich. Er hob den Kopf nicht.
Ichiru schien es zu genießen, überlegen zu sein, doch das konnte sich in Sekundenbruchteinen ändern. Es würde sich in wenigen Augenblicken ändern.
Ein Adrenalinstoß jagte durch Mierons Körper und setzte ihn wie unter Strom. In einer schnellen Bewegung war er auf den Beinen.
Er bleckte die Zähne zu einem dämonischen Grinsen und drückte sich vom Boden ab. Mitten im Satz verwandelte er sich in einen großen, schwarzen Wolf in dessen Augen nun die Farbe des Blutes lag.

Aryata kauerte auf einem Baum und genoss den kühlen Nachtwind auf ihrer Haut. Sie schloss die Augen, doch ihre Sinne waren immer noch aufmerksam auf die kleinste Veränderung. Aryata öffnete die Augen wieder und sprang leichtfüßig vom Baum, überpfüfte kurz die Luft und wandte sich zu dem Hügel, auf dem das Senatstreffen stattfinden sollte. Sie breitete ihre Flügel aus und flog über die Wipfel der Bäume. Plötzlich hörte sie zwei Stimmen. Neugierig, wie sie war, flog sie näher heran und landete lautlos auf einer Esche. Sie spähte durch das dichte, grüne Blätterdach nach unten. Ein junger Vampir hielt einem anderem Mann, der anscheinend sein Zwillingsbruder war, eine Pistole an die Schläfe. Er stieß den anderen Richtung Senatshaus. Aryata beschloss, ein wenig zu warten und dann erst das Gebäude betreten und ihre Nachricht zu überbringen. Auf einmal hörte sie eine Vampirin ganz leise atmen. Sie duckte sich, sprang ohne ein Geräusch auf den Waldboden und blickte einer jungen Frau ins Gesicht.

Hallo

sagte sie leise und lächelte vorsichtig. Die Vampirin sah nicht feindselig aus, aber sie blieb sicherheitshalber dort stehen, wo sie war. Sie strich ihre langen Haare aus der Stirn, roch plötzlich etwas und wandte den Kopf. Ein paar Meter entfernt lag die Leiche eines Vampirs. Fragend blickte sie zu der Fremden, wich aber ein paar Schritte zurück.

Warst du das?

fragte sie, obwohl sie sah, dass die Vampirin nicht so rote Augen hatte wie die Vampire, die gerade getrunken hatten. Also konnte sie es nicht gewesen sein... Aber wer dann??